Beschreibung
Luchse
J. Vogeltanz / J. Cerveny
In diesem Buch erzählt der Luchs über sein Leben und seine Bedürfnisse. Darüber, wie er jagt, erzählt er:
Bei der Jagd kommen mir vor allem meine scharfen Augen und mein feines Gehör zugute. Den Geruchssinn brauche ich weniger, obwohl auch der bei mir durchaus gut entwickelt ist.
Unter normalen Bedingungen sehe ich ein kleines Nagetier auf 50 Meter, einen Hasen auf 225 Meter und einen Rehbock auf 350 Meter. Bei Schnee erkenne ich ein kleines Nagetier sogar auf 75 Meter, einen Hasen auf 300 Meter und einen Rehbock auf 500 Meter.
Auch in der Nacht sehe ich ausgezeichnet. Im Sommer erkenne ich bei Vollmond einen Hasen auf 125 Meter und einen Rehbock auf 300 Meter. Ein kleines, im Laub raschelndes Nagetier kann ich bis auf 65 Meter Entfernung orten.
Wie meine Jagdstrategie denn nun genau aussieht, fragen Sie? Nun ja, die beruht auf blitzschnellem Angriff aus kurzer Entfernung. Ich hetze meine Beute nicht, ich lauere ihr auf. Oft beobachte ich die Umgebung von einer erhöhten Warte aus, bewegungslos. Wenn notwendig, birsche ich meine Beute an.
Für die Birsch nutze ich meine gewohnten Wechsel. Wenn ich angreife, dann tue ich das mit ein paar Sätzen, die zwischen drei und fünf Meter lang sind. Meine Beute verfolge ich in der Regel höchstens zwanzig bis fünfzig Meter weit. Besonders hoch sind die Trefferquoten meiner Angriffe gerade nicht: Je nach Umständen liegen sie nur zwischen zwanzig und sechzig Prozent. Und: Mit steigender Entfernung des Beutetieres beim Angriff sinkt die Erfolgsquote deutlich.
Kleinere Beute – wie Nagetiere, Hasen oder Füchse – töte ich durch einen Biss in den Nacken. Größeres Wild – wie Reh oder Gams – töte ich mittels Griff an die Kehle, der den Erstickungstod oder einen Genickbruch zur Folge hat. Daher findet man an meiner Beute fast immer Spuren der Eckzähne an Hals oder Hinterkopf, wobei der Abstand zwischen den Eckzähnen drei bis dreieinhalb Zentimeter beträgt. Manchmal ist auch die Haut am Rücken oder an der Seite meiner Opfer von meinen scharfen Krallen durchbohrt.
Ist die Beute einmal tot, so ziehe ich sie meist irgendwo in Deckung. Sobald ich mir sicher bin, dass mich keine neugierigen Augen mehr entdecken werden, genieße ich mein Fressen. Größere Beute, etwa einen Rehbock, schneide ich meist zuerst an der Keule an, seltener an Schulter oder Hals. Bei Jungluchsen kann es vorkommen, dass beim Herumspielen mit der von der Mutter gebrachten Beute die Lauscher abgebissen werden – zum Spielen. Beutereste decke ich oft mit Ästen, Gras, Laub oder Schnee zu.
Im Gegensatz zu hundeartigen Raubtieren reiße ich nie den Bauch auf, und ich fresse auch keine Eingeweide. Wenn mich niemand bei meinem Mahl stört, etwa ein Wildschwein, bleibt bei mir stets ein sauber abgeklaubtes Skelett zurück, außerdem die Eingeweide und die Haut samt Kopf.
Je besser mich die Beutetiere kennen, umso schwieriger wird die Jagd. Da kehre ich dann fast immer zu meiner Beute zurück, bis für mich nichts mehr zum Fressen da ist. Wo mich die Beutetiere noch nicht gut kennen, finde ich einen reich gedeckten Tisch vor und kann mir den Luxus leisten, sowohl Energie als auch Nahrung zu vergeuden. Da kehre ich nicht immer zur Beute zurück.
Von einem anderen Luchs erjagte Beute eigne ich mir so gut wie nie an, und Aas fresse ich in der Regel auch nicht. Elternlose Jungluchse und noch nicht erwachsene Tiere töten unter besonders ungünstigen Bedingungen – wenn sie etwa keine Beute erjagen können und großen Hunger haben – auch Hausgeflügel oder Kaninchen. Erwachsene und gesunde Luchse tun das nicht.
Aber genug der Theorie! Jetzt nehme ich Sie einmal mit auf einen Birschgang durch den verschneiten Winterwald …
Der Luchs ist ein ausgesprochenes Waldtier. Man sieht ihn selten. In Mitteleuropa gibt es ihn in der Tschechischen Republik, in der Slowakei, in Polen, Österreich, der Schweiz und Deutschland. – Der tschechische Spitzenfotograf Jaroslav Vogeltanz ist ein ausgesprochener Luchsspezialist. Er hat dem Lauer- und Birschjäger Luchs im Böhmerwald und im Bayerischen Wald mit seiner Kamera einige seiner Geheimnisse abgeluchst. Ergebnis: Herausragende Luchsfotos und traumhafte Landschaftsbilder – mit kurzweiligen und kenntnisreichen Texten der beiden Luchskenner Jaroslav Cerveny und Paolo Molinari. Ohne hochwissenschaftliche Eitelkeiten erzählt der Luchs von seinem Leben. Von einem Leben im zauberhaften Böhmerwald und Bayerischen Wald … – Ein prachtvoller Fotoband.
128 Seiten, über 130 Farbfotos.
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