Beschreibung
Horscha – Jagdliche Heimkehr
Friedrich Karl von Eggeling
Leseprobe:
… Das eben vergangene Jahr hat mir vieles gebracht, Gutes und Aufregendes, Peinliches und sogar Lachhaftes, für Forst wie auch für die Jagd.
Fangen wir mit dem Walde an, wo die Holzpreise Purzelbaum geschlagen haben und der Holzabsatz Kapriolen, mein Unternehmer in die Insolvenz ging und mein Abnehmer für Palettenholz den Betrieb einstellte. Zum Glück kam das alles nacheinander und nicht auf einmal, es blieb immer noch einige Zeit zum Reagieren und zum Neubeginn. Jetzt verkaufe ich einen Teil nach Schweden, habe einen neuen Unternehmer beschäftigt und mein Palettenholz umfunktioniert zu Bauholz – kurz, ich bin mit einem blauen Auge gut davongekommen und kann zum Jahresabschluss meine Hände über dem Bauche falten und mich einen ziemlich glücklichen Menschen nennen.
Was im Walde wie gut geölte Routine aussieht, ist bei der Jagd fast immer mehr oder weniger Improvisation und bringt die vielen Unwägbarkeiten, die uns das Jagen so aufregend und lieb machen. Im April fing es damit an, ganz gewaltig sogar, und weil es so gewaltig war, muss ich ein wenig ausholen mit meiner Erzählung: Wir haben dicht an der Breseka, also am Farnwalde, eine offene Kanzel, von der in diesem Buch schon mehrfach die Rede war: „Kloudas Märchensitz“. Die Kanzel steht an einer wegen Nässe fast unbefahrbaren breiten Waldschneise, an die rechts ein mit Fichten dicht unterstandenes Altholz grenzt und nach links ein Kiefernbestand, der weit über mannshoch von Farn durchwachsen ist. Etwa achtzig Gänge vor der Kanzel verläuft der Hauptwechsel vom fernen Felde in die Einstände im Moorwald, Rotwild kam dort schon oft zur Strecke, auch Rehe, aber Sauen noch nie in meiner Zeit in Horscha, denn die sind immer viel zu schnell und lassen sich auch nicht aufhalten, während Rot- und Rehwild fast immer auf einen Pfiff brav reagiert.
In den letzten Apriltagen aber traf es sich durch reinen Zufall, dass ich, als ich die Büchsflinte bei angehender Helligkeit an die Schulter nahm, um nach dem Zustand des Zielfernrohres zu sehen, einen riesigen schwarzen Klumpen wahrnahm, der eilig über die Schneise zog. Die Zeit reichte noch so eben zu entsichern, die Waffe fest in die Schulter zu nehmen und dem großen Klumpen nachzuziehen, der eben rechts in den unterständigen Fichten verschwand, aber hinter der ersten Randfichte noch einmal kurz auftauchte, wo ich dann den Schuss loswurde, der im Leben sitzen musste. Ich nahm mir dann viel, sehr viel Zeit, lauschte den Kranichen draußen in den Wiesen und den Kolkraben, die über mir kreisten und wussten, dass ein Schuss Futter bedeutet. Soweit und bis dahin war alles in bester Ordnung, ich stieg, schon vom Glücke beseelt, die Leiter hinab. Einen starken Keiler schießt man nicht jeden Tag, und schon gar nicht im Licht einer eben aufgegangenen Sonne.
Die Rachegötter aber schlafen nicht, und Hochmut kommt vor dem Fall!
Es war ja nicht zu erwarten, dass die Sau am Anschuss lag, es war auch kein besonderes Wunder, dass am Anschuss keinerlei Birschzeichen zu finden waren, kein Schweiß, keine Schnittborsten, keine Eingriffe, nichts – aber das muss nicht sein, bei einem so starken Stück schon gar nicht, die Kugel verschlägt sich im dicken Wildkörper, die Borsten sind nass und kleben aneinander, der Waldboden ist ausgerechnet an dieser Stelle hartgetrappelt auf dem stark begangenen Wechsel. Aber ein wenig nervös wurde ich doch schon!
Dieses „bisschen“ Nervosität war es dann doch wohl, dass ich mich benahm wie ein blutiger Anfänger. Ich ging dem Wechsel nach, Meter für Meter und sah – nichts! Ich suchte in Hocke und Kniefall unter den kleinen Fichten überall dort, wo sie in dichter Gruppe standen – nichts! Ich schlug Volten und Kreise in immer wachsender Verzweiflung und beginnender Panik – nichts! Aber dann riss es mich doch im Hirnkastl, ich nannte mich einen alten Esel, der sich nicht in einen Keiler hineinversetzen kann, denn der wird ja nicht so blöd sein, mit einer tödlichen Kugel auf altem Wechsel zu flüchten, er wird vielmehr einen scharfen Bogen schlagen, weg, fort von der Gefahr, einen Haken wird er tun direkt vom Anschuss an.
So war es dann – die Sau lag keine zehn Meter vom Anschuss entfernt im rechten Winkel weg vom Wechsel, sie lag unter einer tiefbeasteten Fichte und war so schwer, dass ich sie nicht bewegen konnte, keinen einzigen Zentimeter weit, ein großer schwarzer dampfender Berg von einem Keiler. Da habe ich mich eine ganze Weile neben den Keiler hingesetzt und habe mich von ganzem Herzen gefreut und habe mich zugleich auch von ganzem Herzen geschämt über meine schier kindliche Dummheit, ich alter Esel, ich Lehrherr der bayerischen Berufsjäger!
1996, ein paar Jahre nach der Wende und der Wiedervereinigung Deutschlands, kaufte Friedrich Karl von Eggeling einen Teil des ehemaligen Familienbesitzes zurück. Mit großem Verständnis und großer Leidenschaft für Jagd und Forst begann er – der lange Jahre Geschäftsführer des Deutschen Jagdschutzverbandes gewesen war – seinen zurückgewonnen Wald nach eigenen Vorstellungen umzubauen.
In mittlerweile siebzehn Jahren hat er viele Erfolge gefeiert, aber auch bittere Stunden durchlebt. Die jagdlichen Gebote der Stunde waren die Zurücknahme des Rehwildbestandes, der Versuch, dem Rotwild eine freundliche Heimat zu bieten und auch dem Damwild, und, besonders wichtig: das Schwarzwild fair zu bejagen. Manche Aufgabe wurde durch das Auftauchen der Wölfe in der Lausitz nicht gerade leichter. Andererseits sorgten dafür Seeadler, Kranich & Co für höchst freudvolle Stunden im geliebten Revier.
Das Buch “Horscha – Jagdliche Heimkehr” ist das Buch eines hochklassigen Jagdpraktikers, der sein Handwerk versteht wie kaum ein zweiter. Jeder Jäger, gleich ob in Österreich oder Deutschland, wird dieses Buch mit Gewinn lesen.
224 Seiten. Exklusiv in Leinen.
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