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Lackenbach: Rehe, Sauen, Füchse

Edmund Schallerl

In diesem zweiten Band über Lackenbach stehen die Rehe, die Sauen und die Füchse des Waldreviers im Mittleren Burgenland im Mittelpunkt. - Geschenkband!
160 Seiten, über 60 Originalfotos.

Preis: Euro 45,–
inkl. MwSt.

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Mit ihren engstehenden Stangen waren die Rehböcke aus dem Gebiet des Hendlberg ein ganz eigener Schlag. Zwei „Brüder“ dort waren dem Berufsjäger schon von Jährlingstagen an bekannt. Im Alter von 8 Jahren wurden sie erlegt. Dazwischen lagen jede Menge interessante Beobachtungen.


Im „Oberen Wald“ kam recht häufig ein Rehwildschlag vor, dessen männliche Vertreter ganz eng und parallel stehende, gerade und oft recht starke Stangenpaare schoben. Interessanterweise kamen diese Böcke hauptsächlich in einer zusammenhängenden Linie vor, welche vom östlichsten Revierzipfel quer über alle Gräben und über den Hendlberg verlaufend bis zum Kohlgraben reichte; überhaupt war festzustellen, dass die meisten Wildwechsel nicht entlang der Gräben, sondern quer über diese hinweg führten. Böcke mit solch auffallenden Kronen waren naturgemäß alljährlich leicht wiederzuerkennen. So fielen mir eines Tages am Hendlberg zwei Jährlingsbrüder dieses besonderen Schlages auf. Beide trugen ziemlich dicke Spieße zwischen den Lauschern, einer von ihnen etwas kürzere. Diese beiden Böcke hatten ihren Einstand entlang der Forststraße, und sie kamen fast an jedem Tag irgendwo im Hendlbergabschnitt in Anblick. Mit der Zeit wurden sie so vertraut, dass man mit dem Auto ruhig anhalten und die „Hendlbergbrüder“ – wie wir sie nannten – beobachten konnte.
Am Kammweg des Hendlberges, der damals von einem gut durchforsteten und raschwüchsigen sechzigjährigen Fichtenbestand bestockt war, wurden im Abstand von nur zweihundert Metern zwei Rehfütterungen aufgestellt. Alle Rehe dieses Revierteiles pflegten nach Belieben ständig zwischen beiden Fütterungen hin und her zu wechseln. Im zweiten Jahr trug der schwächere Zwilling dicke geperlte Spieße, der stärkere Gabeln, und ihre Wege trennten sich: sie teilten sich den Hendlberg am Kammweg; dort markierten viele Plätzstellen ihre Territoriumsgrenzen. Der Stärkere blieb an der Straße und wurde oft gesehen. Sein Bruder hingegen tendierte zum Windbruch und Steilschlag, bis hinunter zum Spießgraben. Niemals mehr traf ich beide im Sommer zusammen an. Auch wurde der Schwächere nie mehr auf der Ostseite des Hendlberges gesehen.
Im dritten Haupt trug der Stärkere bereits ein recht gutes hohes Sechsergeweih, der Schwächere nur starke Spieße auf starken Rosen. Im vierten Haupt änderte sich wenig. Der Stärkere „verbesserte“ sich auf mindestens 25 Zentimeter Stangenlänge, und sein Bruder blieb Spießer mit nur angedeuteten Enden. Als fünfte Krone trug der Stärkere ein langendiges und ungewöhnlich hohes Gehörn von mindestens 28 Zentimeter Stangenlänge mit einem Gewicht von sicher über 400 Gramm; das Gwichtl klaffte im oberen Viertel V-förmig auseinander. Er war in diesem Jahr bestimmt der stärkste lebende Bock im Revier. Unzählige Male genossen wir seinen schon vertraut gewordenen Anblick. Ja, es kam so weit, dass man während der Vorüberfahrten am Hendlberg richtig enttäuscht war, wenn der Hendlbergbock Nummer 1, wie wir ihn nannten, nicht in Anblick kam. Sein Bruder, die Nummer 2, hielt sich nach wie vor im ruhigeren Teil des Einstandes auf und wurde selten gesehen. Auch er trug in diesem Jahr ein recht gutes Sechsergeweih. Gewiss, beide Böcke wären nun jagdbar gewesen. Niemand dachte aber daran, einen von ihnen zu schießen. Die weitere Entwicklung wurde genau mitverfolgt. In diesem Winter fand ich zum zweiten Mal eine Stange des Schwächeren bei der Fütterung, leider aber nichts vom Kapitalen. Nun trug es sich zu, dass der Einstand dieser Böcke ausgerechnet in der Umgebung ihrer gewohnten Fütterungen durchforstet wurde. Diese Beunruhigung ihrer angestammten Territorien führte dazu, dass beide Böcke in ihrer bisher stetigen Aufwärtsentwicklung gestört wurden und stark zurücksetzten! Beide schoben als sechste Krone wesentlich kürzere Stangen und Enden. Der Schwächere war wieder zum starkstangigen Spießer geworden; der Stärkere hatte ein Drittel seiner Stangenlänge eingebüßt, doch waren die Stangen reich geperlt wie nie zuvor. Auch seine Vertrautheit hatte im Zuge der Forstarbeiten sehr abgenommen.
Nachdem im Einstand wieder die gewohnte Ruhe herrschte, schob der Schwächere als siebte Krone ein hohes Sechsergeweih mit seinen bisher längsten Enden. Der Stärkere blieb weiter scheu, erreichte nun nicht mehr seine ehemalige Stangenhöhe, schob aber lange dicke Enden. Im Spätherbst fand ich erstmals eine Stange von ihm an der Fütterung.
Als Achtjährige sollten, nach meinem Abschussplan, beide Böcke erlegt werden. Die Sensation des Jahres war: Der stets Schwächere der Hendlbergzwillinge hatte eine richtig starke und ausgesprochen begehrenswerte Krone mit kurzen Enden, dicken Stangen und wuchtigen Dachrosen geschoben! Ihn schoss meine Jagdherrin erst nach langem Zureden. Aufgrund der vielen Erlebnisse rund um den Bock in all den Jahren brachte sie es fast nicht übers Herz. Schließlich tat sie es aber doch, und noch dazu ganz allein am Windbruch. Die alte Frau war nicht in der Lage, den schweren Bock aus dem Brombeerdickicht zu schleppen. Kurzerhand brach sie ihn also auf und streifte ihm ihre Weste als Abschreckung gegen Sauen und Raubwild über. Die Trophäe dieses wirklich reifen „Gagern-Bockes“ machte uns allen viel Freude. Der bisher Stärkere hatte im achten Haupt stark zurückgesetzt und blieb, obwohl noch immer recht gut, erstmals hinter seinem Zwillingsbruder zurück. Da Jagdherr Didi zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in der Lage war, noch eigenhändig Rehböcke zu erlegen, tat ich es für ihn und schoss den reifen Altbock, um ihn für ihn in mittlerweile zur Routine gewordener Manier abschussgerecht aufzustellen. Didi „erlegte“ den Hendlbergbock Nummer 1 wenige Stunden später von der niedrigen Titangraben-Kanzel aus. Die Stangen des Bockes waren noch immer stark. Seinen Höhepunkt hatte er aber bereits mit fünf Jahren erreicht, sein schwächerer Bruder hingegen erst mit acht!

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