Beschreibung
Riegeljagd
Bruno Hespeler
Buch-Auszug: Auf welche Entfernung ist ein Schuss bei der Riegeljagd sinnvoll? Und wenn Flüchtigschießen: Wohin halten wir?
… Natürlich schießen wir alle hervorragend, und keiner soll es wagen, an uns zu zweifeln. Andererseits verweisen unsere Nachsuchenführer auf ein gerüttelt Maß an Arbeit, das ihnen Riegeljagden liefern. Hier müssen wir allerdings die Anschusskontrollen mit Hund und die reinen Kontrollsuchen von den tatsächlichen Nachsuchen trennen. Dann schaut es schon anders aus und hebt sich kaum von dem ab, was die Einzeljagd liefert.
Jedenfalls gibt es nicht wenige Stimmen, die Riegler als unweidmännisch bezeichnen, weil auf ihnen angeblich viel schlechter geschossen wird als auf der Einzeljagd. Wer davon überzeugt ist, wird ziemlich unglaubwürdig, wenn er dennoch an einem Riegler teilnimmt.
Tatsächlich aber schießen wir nicht alle „hervorragend“. Letztlich ist dies auch eine Frage der Wertung; man muss die Anforderungen nur tief genug setzen, dann haut das schon hin. Es ist zudem die Frage, unter welchen Umständen wir schießen.
Auf einem Riegler bleibt in der Regel viel weniger Zeit, einen Schuss loszuwerden, als auf der Einzeljagd, und gelernt haben wir alle irgendwann einmal das geruhsame Hochsitzschießen: Bequem sitzen, in aller Ruhe die Auflage fürs Gewehr passend richten, anvisieren, absetzen, wieder anvisieren, Luft anhalten, und dann vielleicht schießen. Auf dem Riegler fehlt uns dieser Überfluss an Zeit fast immer und nicht selten die kommode, passende Auflage. Es muss einfach schnell gehen. Tatsächlich ist aber auch das Schießen auf der Einzeljagd in den letzten Jahren in vielen Revieren ein anderes geworden. Wir jagen überwiegend in einer von vielen Mitmenschen genutzten Landschaft, in der sich das Wild nicht mehr so arglos und ruhig verhält wie ehedem. Wir jagen aber auch immer mehr im Wald drinnen, wo sich die Situation teils drastisch verändert hat. In früher bodenkahlen Beständen wuchert heute oftmals die Verjüngung. Auch wenn man dort ein Stück Wild längere Zeit in Anblick hat, so bleibt für den verantwortbaren Schuss (in dem das Stück sauber, breit und frei steht) oft nur ein Augenblick.
Nur vergleichsweise wenige Jäger gehen regelmäßig auf einen Schießstand, um mit der Büchse zu üben. Eher finden wir dort Flintenschützen, welche die Schrotdisziplinen sportlich nehmen. Wenn überhaupt, dann wird mit der Büchse mehrheitlich wie vor einem Jahrhundert geschossen, entweder sitzend aufgelegt oder stehend angestrichen, vor allem aber ohne zeitliche Begrenzung. Auf der Riegeljagd werden jedoch keine Präzisionsschützen benötigt, die auf 100 Meter zuverlässig einen Bierdeckel treffen. Erstens wird mehrheitlich auf geringere Distanz geschossen, und wenn halbwegs zuverlässig ein Fleck von der Größe eines DIN-A5-Blattes getroffen wird, dann liegen Alttier wie Frischling. Wichtig sind bei der Riegeljagd Entschlussfreude (Kann/darf ich das Stück erlegen?) und Reaktion (nicht lange herumfummeln).
Das Üben auf den laufenden Keiler mag schwierig erscheinen, ist es aber nicht. Wer einmal den Dreh heraußen hat, wenn er weiß, wo er hinhalten muss, sobald der Keiler erscheint, der trifft ihn meistens auch. Nun müsste man denken, dass ein kurz stoppender Keiler viel leichter getroffen wird als ein gleichmäßig schnell durchlaufender, das stimmt aber nicht. Wir haben in den 1990er-Jahren auf jagdpraktischen Lehrgängen der Forstverwaltung in Bayern den Keiler kurz angehalten und sofort wieder weiterlaufen lassen. Damit purzelten die Treffer in den Keller. Hier war nämlich die unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeit der Hand, die den Schalter betätigte, im Spiel. Die Schützen konnten sich nicht mehr auf den gleichmäßigen Ablauf verlassen, was sie irritierte.
Später fanden unsere Übungsschießen auf einem Militärschießstand statt. Dort befanden sich in jeder Schießbahn drei versenkte Klappscheiben. Ihr Erscheinen und ihre Standzeit regelte ein Computer willkürlich und von Schießbahn zu Schießbahn unterschiedlich. Der Schütze wusste also nicht, welche Scheibe (50, 75 und 100 Meter) auf seiner Bahn wann erscheint. Es lag nahe, anzunehmen, dass die Ergebnisse schlechter sein würden als auf den gestoppten laufenden Keiler. Tatsächlich aber war das Gegenteil der Fall. Noch etwas war interessant: Ließ man den Schützen pro Schuss 20 Sekunden Zeit (so lange standen dann die Scheiben), waren die Ergebnisse schlechter als bei 10 oder 5 Sekunden Standzeit! Je mehr Zeit sie hatten, umso unruhiger schossen sie offensichtlich.
Die beste Möglichkeit, halbwegs praxisgerecht den Büchsenschuss zu üben, bietet eindeutig das Schießkino! Waren solche vor zehn Jahren noch eine Seltenheit und für viele Jäger kaum erreichbar, werden es heute immer mehr. Im Schießkino lässt sich wirklich jede jagdliche Situation realistisch simulieren, ob es sich nun um den Ansitz auf einen Rehbock, um den Brunftbetrieb im Rotwildrevier oder um einen Sauriegler handelt. Die bewegten Bilder nehmen den Jäger gefangen, und er muss alle Sinne einsetzen, um überhaupt zu Schuss zu kommen.
Was nun die Nachsuchen betrifft, so haben wir heute auch auf der Einzeljagd vom Hochsitz aus Schwierigkeiten, die unsere Großväter kaum kannten. Diese kamen am Abend deutlich früher von der Jagd nach Hause als wir; ihr Büchsenlicht endete früher als unseres. Nicht, weil sich am Himmel irgendetwas verschoben hätte, sondern weil uns eine – scheinbar – immer bessere Optik immer länger draußen ausharren lässt. Der rote Leuchtpunkt ist auf dem schwarzen Schemen im Glas auch dann noch problemlos zu erkennen, wenn wir ohne ihn längst keinen Schuss mehr wagen würden. Bei der Riegeljagd hingegen ist es immer heller Tag; das ist zweifellos ein Vorteil! Erinnert sei an die Nachtjagd, vor allem auf Schwarzwild, bei der besonders viele und schwierige Nachsuchen anfallen. Wenn wir also den Riegler ablehnen, weil auf ihm unsauber geschossen wird, müssen wir auch die Nachtjagd verbieten und bei der Einzeljagd ein zeitliches Limit setzen.
Richtig ist, dass bei manchen Rieglern unverhältnismäßig viele Schüsse auf ein erlegtes Stück Wild kommen. Das liegt aber nicht an der Riegeljagd selbst, sondern neben der Art und Weise, wie abgestellt wird, an der fehlenden Disziplin. Manche von uns scheinen es einfach lustig zu finden, wenn es ordentlich kracht. Und so wird es vor allem bei Sau und
Fuchs halt einmal probiert, und dieses Probieren scheint anzustecken …
Anzumerken ist noch, dass bei den erwähnten jagdpraktischen Lehrgängen, die zehn Jahre hindurch für die Revier- und Forstamtsleiter abgehalten wurden, regelmäßig rund 40 Prozent der Teilnehmer 60 Prozent der Ringe schossen. In den ersten Jahren gehörte zu jedem Lehrgang auch ein Riegler. Teilnehmer, die auf dem Stand gut schossen, taten dies auch bei den Rieglern, während die mäßigen und schlechten Standschützen auch draußen mäßig oder schlecht (vorbei) schossen und auffallend wenig brauchbaren Anlauf hatten. Das anlaufende Wild wurde auf Standkarten erfasst, wobei nachstehendem, langsam wechselndem und hochflüchtigem Wild unterschieden wurde. Die mäßigen Schützen hatten nach ihren Angaben in der Regel weniger Wild in Anblick als die guten Schützen. Ebenso war der Anteil des hochflüchtigen Wildes bei mäßigen Schützen deutlich höher als bei guten. Da bei jeder Jagd darum gebeten wurde, nicht auf hochflüchtiges Wild zu schießen, schien dies wohl ein gutes Argument, den Schuss ganz zu unterlassen. Das ist im Grunde ein durchaus ehrenhaftes Verhalten, zeigt aber auch, dass die Strecken bei einer allgemein höheren Schießfertigkeit durchaus größer sein könnten.
Wohin halten wir?
Beim Schuss auf stehendes Schalenwild wird jeder Jäger wissen, wo er anhalten muss. Eine gewisse Unsicherheit herrscht jedoch oft bei der Frage, wie weit auf flüchtendes Wild vorgehalten werden muss. Beim Rehwild muss man sich darüber keine Gedanken machen, einfach weil man auf flüchtige Rehe mit der Büchse nicht schießt. Ziehende Rehe werden ordentlich getroffen, wenn der Haltepunkt etwa 10 Zentimeter vorgezogen wird. Das heißt, wir fahren nicht dicht hinter dem Vorderlauf hoch, sondern knapp vor diesem. Trollende Rehe können wir anpfeifen, damit sie verhoffen. Sie tun das aber nur in Deckung, beziehungsweise in dunkleren Beständen, nicht auf deckungsloser Freifläche oder in bodenkahlen Althölzern …
Jeder, der Bruno Hespeler kennt, weiß es: Der Autor ist der Praxis verpflichtet. Er schreibt aus seiner reichen eigenen Riegeljagderfahrung und weiß genau, wann und wo und wie das Riegeln Sinn macht. Darüber hinaus liefert dieses Buch Anleitungen, Checklisten und Vorlagen für Anschussprotokolle usw. – Kurz und bündig: Das Buch „Riegeljagd“ ist für jeden Jagdpraktiker ein Muss!
224 Seiten, 120 Farbbilder.
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